Team Herbst oder Team Frühling? Jedes Jahr stehe ich im März und im September vor der gleichen Frage. Zum Glück stelle ich mir die Frage immer nur selbst. Mich selbst stört es nur manchmal, dass ich chronisch an Entscheidungsfindungsstörungen leide. Ich möchte da aber niemanden mit reinziehen und bin froh, wenn ich mir die Frage nur selbst beantworten muss. Es ist einfach jedes Jahr das Gleiche. Gegen Ende des Winters habe ich das Gefühl, keinen weiteren Tag bei grauem Himmel, nasskalten Temperaturen und kahlen Bäumen zu überleben.
Jede erkennbare Blütenknospe jagt einen Glückschauer durch mich hindurch und ab Mitte März ist der nachmittägliche Sonntagskaffee bei schönem Wetter in der Sonne zu trinken. Ganz egal, welche Temperaturen herrschen. Dagegen gibt es Strick, Wolle und warme Decken. Dann, wenn der Frühling sich so richtig eingenistet hat, macht er mich sehr oft sehr sprachlos. Und atemlos. Und bringt mich zum Staunen. Weil er eine so unfassbare Kraft und Schönheit mit sich bringt. Dieses Kerlchen, von dem man denkt, er sei eher der zarte Typ. Ein blonder Bub mit Wuschelkopf und Blockflöte.
Pah. Nichts da. Wer Jahr für Jahr zuverlässig den Endgegner mit Namen Winter besiegt, der kann bei aller Liebe nicht zart und zaghaft sein. Nun denn. Der Frühling geht, der Sommer kommt. Der Sommer geht und in mir macht sich spätestens Mitte September die gleiche innere Unruhe breit wie Mitte März. Innerlich werde ich dann tatsächlich etwas verhaltensauffällig. Ein Kampf nach dem anderen fechte ich mit mir aus. Will noch einmal die Beerenvielfalt in mein Marktkörbchen packen. Hab aber auch das dringende Verlangen nach Zwetschgenkuchen. Beides finde ich irgendwie komisch. Also gewinnen noch einmal die Beeren.
Dann will ich aber wirklich nicht mehr. Ich entwickle eine leise Abneigung gegen Temperaturen, die im mittleren 20-Grad-Bereich liegen. Schaue jeden Tag nach, ob die große Kastanie vorne am Eck schon ihre Früchte abwirft. Erfreue mich an bunten Blättern und Wäldern. Mag die Kürbissuppen-Saison starten und habe das dringende Bedürfnis, meine Garderobe in Braun- und Beigetöne zu wechseln. Ich kann keine Tomaten mehr sehen und kann mich auf dem Markt nicht zwischen den Birnensorten entscheiden. Conference, Butterbirne oder Williams Christ? Keine Ahnung, von allen eine, bitte!
Ich stoppe beim Joggen abrupt, um meine Taschen mit Kastanien voll zu packen. Die hüpfen dann nur so auf und ab und klackern gegeneinander und ich bekomme a) komische Blicke zugeworfen und b) leichte Gleichgewichtsstörungen, da ich mich beim Sammeln grundsätzlich nicht bremsen kann und unter dem Gewicht der Kastanien leicht zu schwanken beginne. Spätestens nach der dritten Fuhre verdreht der Herzensmensch leicht genervt die Augen, weil überall in der Wohnung Kastanien rumliegen. Er hat mir deshalb auch verboten, auf unserem Grundstück einen Kastanienbaum zu pflanzen. Schade!
Neben den Kastanien freue ich mich aber genauso sehr über die wohligen Gewürze, die wieder in der Küche dominieren. Nach Monaten voller Thymian, Rosmarin und Basilikum, kommen wieder verstärkt die drei wunderbaren Ks zum Einsatz – Kurkuma, Kreuzkümmel und Kardamom. Und ich kann endlich wieder meine geliebte heiße Gewürz-Schokolade machen ohne mich selbst merkwürdig zu finden. Ihr merkt, es ist nicht einfach, sich für ein Team zu entscheiden. Vielleicht will ich das auch gar nicht. Dann bin ich im Frühling einfach im Team Frühling. Und im Herbst bin ich im Team Herbst. Das klingt doch nach einem Plan. Nur Sommer und Winter, die werden mich nie ganz in ihr Team bekommen. Und weil die wärmenden Gewürze gerade ihr großes Comeback in meiner Küche feiern, wartet heute die wunderbare Crème Brulée mit Chai-Gewürzen auf euch. Damit kommt selbst der absolute Teamgegner in herbstliche Stimmung.
Für 4-6 Souffléförmchen (je nach Größe)
200 g Sahne
1 Schwarzteebeutel (Sorte „English Brekfast“)
15 g Ingwer
2 Kardamomkapseln
1 große Zimtstange
1 kleines Lorbeerblatt
6 schwarze Pfefferkörner
½ Muskatnuss
25 g Rohrohrzucker
3 Eigelb
35 g Zucker zum Karamellisieren
Die Sahne in einen kleinen Topf geben. Den Ingwer schälen und grob in die Sahne reiben. Die Kardamomkapseln aufbrechen und zusammen mit den Samen, den anderen Gewürzen, der Muskatnuss, dem Teebeutel und dem Zucker zu der Sahne geben. Langsam zum Kochen bringen und dann sofort vom Herd nehmen. Zugedeckt mind. zwei Stunden ziehen lassen.
Den Backofen auf 180 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen. Die Gewürzsahne langsam erwärmen und durch ein feines Sieb abseihen, so dass alle Gewürze zurückbleiben. Die Eigelbe in einer Schüssel verquirlen. Die warme Gewürzsahne langsam und unter ständigem Rühren dazu gießen, damit die Eigelbe nicht gerinnen. Die Masse auf die Souffléförmchen verteilen. Reichlich Wasser zum Kochen bringen. Die Förmchen in eine große Auflaufform oder auf ein tiefes Backblech stellen und so viel kochendes Wasser zugießen, bis die Förmchen zur Hälfte im Wasser stehen. Im Ofen ca. 15-20 Minuten garen, bis die Masse am Rand vollständig gestockt ist. In der Mitte darf sie noch etwas wackeln. Aus dem Ofen nehmen und vollständig abkühlen lassen. Dann für mindestens 1 Stunde kühlstellen. Vor dem Servieren den Zucker auf der Crème in den Förmchen verteilen und mit einem Bunsenbrenner karamellisieren, bis sich eine knusprig-braune Karamellkruste bildet.