„Eigentlich könnten wir stinkereich sein.“ Sagte ich letzten Sonntag beim Frühstück zum Herzensmenschen. „Warum?“ Fragte er eher beiläufig. Seine Aufmerksamkeit galt hauptsächlich der Tatsache, dass ich gerade mit dem Messer in seiner geliebten Pistaziencreme herumstocherte um die Erdbeere auf meiner Gabel fingerdick damit zu bestreichen. Seine Augenbrauen waren dabei dauerhaft nach oben gezogen. Futterneid wirft er eigentlich immer nur meiner Familie vor. Inklusive mir. Obwohl ich das nicht im Geringsten nachvollziehen kann. Na gut. Es gibt Ausnahmen.
Wenn da noch ein Rest Mousse au Chocolat in der Schüssel ist, schau ich schon, dass mein Löffel da schnell nochmal reingetaucht wird. Aber ansonsten bin ich ziemlich zahm, würde ich sagen. Der Herzensmensch ist da eigentlich auch recht zahm. Es sei denn, es geht um Pistaziencreme. Jedenfalls versuchte ich, seine Aufmerksamkeit weg von meiner Hand hin zu meiner Aussage zu lenken. Und wählte bewusst das Wort „stinkereich“. Bei Geld sind Männer in der Regel immer schnell ganz Ohr. „Du wärst ein prima Achtsamkeitstrainer.“ „???“ Das wollte er dann schon genauer wissen.
Es stimmt. Der Herzensmensch ist, ohne, dass es ihm auch nur im Ansatz bewusst ist, mein großer Lehrer und Vorbild was das ganze Thema Achtsamkeit und Selbstliebe angeht. Und das macht er nicht mal mit Absicht. Im Gegenteil. Er hat diese Worte noch nie in den Mund genommen. Zumindest nicht, seit ich ihn kenne. Und das tue ich schon ziemlich lange. Er macht einfach die Dinge, die ihm guttun. Er schläft, wenn er müde ist. Er chillt, wenn er Lust darauf hat. Er isst meist ausgewogen und gesund. Einfach weil es ihm schmeckt. Er isst manchmal ungesund. Einfach weil es ihm schmeckt.
Er steht morgens auf und lässt den Tag kommen. Er plant nur, was wirklich zu planen ist. Ohne Plan F-O, die ich gerne noch in der hinteren Gesäßtasche habe. Und dabei ist er alles andere als planlos. Er lebt absolut im Moment. Er macht nichts, was ihm nicht gefällt. Weil er gar nicht auf die Idee kommen würde, das zu tun. Er ist ein absoluter Optimist und dennoch sehr realistisch. Er zwingt sich zu nichts. Er tut Dinge, weil er davon überzeugt ist. Nicht, weil er denkt, er muss sie tun. Er denkt nicht an Selbstliebe. Weil es in seiner Welt gar nicht darum geht, sich selbst zu lieben oder nicht. Er tut es sowieso. Aber es ist nichts, wozu er sich überwinden muss. Tja. Er ist mein Lehrmeister. Durch und durch. Und das einfach so nebenbei.
Und dann sitzt er letztens auch noch da und erzählt mir ganz beiläufig in einem ganz anderen Zusammenhang, dass er das ja jeden Abend macht. Den Tag reflektieren. Sich selbst reflektieren. Darüber nachdenken, was er gut gemacht hat. Und was er am nächsten Tag vielleicht besser machen würde. Wie er seine Aufgaben gemeistert hat. Und was er am nächsten Tag vielleicht anders machen würde. Wie er mit seinem Team gesprochen hat. Und wie er vielleicht am nächsten Tag mit ihnen sprechen würde. Und ich? Ich hatte den Mund ziemlich weit offenstehen. Und klappte ihn geräuschlos zu. Und wieder auf. Und war mal wieder erstaunt über diesen Menschen, der so lange schon an meiner Seite ist und mich doch immer wieder überrascht.
Das, was in der heutigen Welt, in der Instagram-Achtsamkeits-Selbstliebe-Welt ganz groß als „Journaling“ (natürlich ist es ein englischer Begriff.) gefeiert wird. Früher war es im Übrigen einfach „Tagebuch schreiben“. Das, was ich mir so oft abends vornehme und dann doch nicht mache, weil ich einfach nur lesen und schlafen will und nicht noch im Bett liegend meinen Tag in ein hübsch aussehendes Büchlein, ein Journal, (zu deutsch: Tagebuch) kritzeln möchte. Das macht der Herzensmensch einfach so. Nebenher. Ganz für sich. Ohne albenere Begrifflichkeiten zu verwenden. Ohne es zu feiern.
Einfach, weil es ihm wichtig ist, voranzukommen. Weil er sich wichtig ist. Weil seine Mitmenschen ihm wichtig sind. Hach. Jedenfalls könnten wir stinkereich sein. Wenn er sich in dieser Branche selbstständig machen würde. Als Achtsamkeitstrainer. Self-Reflection-Coach. Oder wie sie sich alle nennen. Das habe ich ihm alles gesagt. Bei unserem Frühstück. Es ließ ihn ziemlich unbeeindruckt. Er schaute danach nur ganz tief in sein Glas Pistaziencreme und rechnete sich aus, für wie viele Brote das noch reicht. Und ich war froh, dass er einfach nur mein Herzensmensch (und Lehrmeister) war. Stinkereich hin oder her.
Die Pistaziencreme ist leider alle, aber dafür haben wir den Kühlschrank voller Gläser mit diesem besten aller Kirschjoghurts ever. Ich schwör. Ihr wollt nie mehr Kirschjoghurt aus dem Becher löffeln, wenn ihr den probiert habt. Eine größere Portion lohnt sich, er hält sich ein paar Tage im Kühli. Wenn er solange hält. Wir kippen ihn aktuell über alles, was in irgendeiner Weise Kirschjoghurt verträgt. Und ich muss ganz dringend morgen neue Kirschen besorgen.
Habt es fein.
Eure Hannah
Kirschjoghurt mit Tonkabohne
Zutaten
- 120 g Süßkirschen (mit Stein)
- 2 Medjooldatteln (optional: eine halbe Banane)
- 500 g Rahmjoghurt oder griechischer Joghurt
- etw. Tonkabohnenabrieb (je nach Geschmack)
Anleitungen
- Die Kirschen waschen und entsteinen. Die Datteln ebenfalls entsteinen
- Kirschen, Datteln und 50 g Joghurt zusammen mit etw. Tonkabohnenabrieb in einen Standmixer geben und zu einer glatter Creme mixen.
- Den restlichen Joghurt in eine Schüssel geben. Die Kirschmasse hinzufügen und unterziehen, bis alles gut vermischt ist. In Gläser abfüllen und im Kühlschrank lagern.