„Entschleunigung“ ist mittlerweile schon ein bisschen zu einem Allerweltsbegriff geworden. So wie „Detox“. Oder – unter Instagrammern – der Begriff „Goals“. Breakfastgoals, Travelgoals, Lifegoals und wie die Ziele alle heißen, für deren Erreichung wir fast alles tun würden. An Allerweltsbegriffen finde ich schwierig, dass sie eigentlich meist eine sinntiefere Bedeutung haben, diese aber mit der hemdsärmeligen Verwendung der Begriffe schnell verloren geht. Allen voran der Begriff der Entschleunigung. Ich glaube tatsächlich, dass es mittlerweile ein grundlegendes Bedürfnis unserer Gesellschaft ist, aus dem eigenen Leben, der Umgebung, der Arbeit, immer wieder etwas Gas rauszunehmen. Das Tempo zu reduzieren. Eine Folge der immer schneller werdenden Entwicklungen, die um uns herum passieren. Der höheren Anforderungen, die an einen gestellt werden. Der zunehmenden Erwartungshaltung unserer Umwelt was die Erreichbarkeit, den Status, das Sozialverhalten usw. angeht.
Der Erwartungshaltung, die wir uns selbst gegenüber haben. Erfolgreich und sportlich will man sein, nebenher zwei bis vier Kinder großziehen, viele Freunde haben, die Familie regelmäßig sehen, sich gesund ernähren, dreimal im Jahr in den Urlaub fahren (aber nicht nach Malle, sondern wenn dann schon Hiking in Kanada oder Surfen auf Hawaii) und nebenher noch ein Instrument spielen und in einem gemeinnützigen Verein tätig sein. Klingt doch perfekt, oder? In den zehn Minuten, die einem dann noch verbleiben, praktiziert man dann Yoga oder meditiert, weil einem doch manchmal alles etwas zu viel ist. Man möchte entschleunigen. Das war jetzt alles vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber wenn wir mal ganz tief und ehrlich in uns reinhören, geht es doch schon manchmal in diese Richtung. Ich halte hier jetzt zumindest mal die Hand hoch. Auch wenn mein Job mir großen Spaß macht, der Herzensmensch mein Ein und Alles ist, das Bloggen, bzw. eigentlich das In-der-Küche-stehen, mich voll und ganz erfüllt, mein Sport mir Luft verschafft und mich antreibt, unsere ausgefüllten Wochenenden meist wahnsinnig schöne und wertvolle Momente mit tollen Menschen beinhalten und ich generell schwer stillsitzen und nichts tun kann, muss ich mich dann manchmal doch selbst bremsen. Und mich selbst entschleunigen. Mir gut zureden, dass es nicht schlimm ist, nach einem 11-Stunden-Tag im Büro keine Power mehr fürs Joggen zu haben.
Wohlstandsprobleme hab ich letztens irgendwo gelesen. So würde das, was ich eben beschrieben hab, in der heutigen Gesellschaft bezeichnet werden. Ja, vielleicht sind es tatsächlich Wohlstandsprobleme. Aber es ist auch ein subjektives Empfinden. Und ehrlich gesagt, Gott sei Dank sind es „nur“ Wohlstandsprobleme, denen in den meisten Fällen sehr leicht Abhilfe verschafft werden kann. Zum Beispiel durch Entschleunigung. Und ich schätze es tatsächlich jeden Tag und bin dankbar, „nur“ diese Art von Problemen zu haben. Es sind ja nicht mal Probleme. Es ist eher ein Gefühl. Das Gefühl, dass um einen herum alles viel zu schnell passiert und ich so oft viel zu überdiszipliniert bin um meine Ziele zu erreichen, anstatt einfach mal loszulassen. So, und weil ich euch jetzt nicht noch länger mit meinem halbwisserischen Philosophengeschwätz behelligen möchte und es schließlich am Ende immer um ein Rezept geht, spann ich jetzt einfach den Bogen zu den himmlischen Rote Beete-Gnocchi, die ich euch heute mitgebracht habe.
Ich liebe Gnocchi. Ich liebe aber ebenso die Zubereitung von Gnocchi. Das ist für mich Entschleunigung. Eine Stunde, in denen ich vor mich hin summend, den Teig vorbereite, zu Teigwürsten forme und daraus kleine Nocken absteche. Die in heißes Wasser gleiten lasse um sie zwei Minuten später wieder herauszuschöpfen. Und das Ganze immer und immer wieder, bis aller Teig verbraucht ist. Da kann ich so richtig ruhig werden. Und darum geht es ja schließlich. Im hektischen Alltag kleine Brücken bauen, auf denen man einfach kurz stillsitzen und die Füße baumeln lassen kann. Solltet ihr dieses Bedürfnis bald mal wieder verspüren, denkt an mich und macht einfach diese wunderbaren Gnocchi. Wenn ihr nicht auf Rote Beete steht, tun es natürlich auch jegliche anderen Gnocchi. Und der Seele tut ihr damit gleich auch noch was Gutes, Gnocchi werden nicht umsonst immer als Soulfood bezeichnet.
Habt es fein.
Eure Hannah
Für zwei gute Esser
2-3 mittlere Knollen Rote Beete (ca. 300 g)
250 g Ricotta
40 g Parmesan
½ Ei (am besten 1 Ei leicht verquirlen und davon ungefähr die Hälfte zum Teig geben)
90 g Mehl (ich: Dinkelmehl 630)
Salz
Pfeffer
40 g Walnusskerne
60 g Butter
2 EL gemischte Kräuter (ich: Petersilie, Dill, Schnittlauch)
Etw. Parmesan zum Besträuen (optional)
Den Backofen auf 200 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen. Die Rote Beete Knollen im Ganzen auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen und im vorgeheizten Ofen ca. eine Stunde weichgaren. Aus dem Ofen nehmen, 30 Minuten abkühlen lassen, dann (am besten mit Einweghandschuhen) die Haut abziehen.
Für den Gnocchi-Teig die Hälfte der Rote Beete Knollen fein raspeln und in eine Schüssel geben. Den Ricotta, das Ei und das Mehl dazugeben. Den Parmesan fein in den Teig reiben. Das Ganze salzen und ordentlich pfeffern und gut verkneten. Der Teig wird etwas klebrig sein, das macht aber nichts. In einem großen Topf reichlich Wasser zum Kochen bringen und etwas Salz hineingeben. Auf einer Arbeitsfläche großzügig Mehl verteilen. Darauf aus dem Teig ca. 1 cm dicke Stränge formen. Wenn nötig noch etwas mehr Mehl verwenden. Die Stränge in jeweils 1,5 cm dicke Gnocchi unterteilen. Diese mit einer Gabel leicht eindrücken und portionsweise in das siedende Wasser geben. Sobald die Gnocchi an der Oberfläche schwimmen, diese mit einer Schöpfkelle herausheben, gut abtropfen lassen und auf einen Teller geben. So verfahren, bis aller Teig aufgebraucht ist.
Die andere Hälfte der Roten Beete in kleine Würfel schneiden. In einer beschichteten Pfanne ohne Fett die Walnusskerne bei mittlerer Hitze ein paar Minuten anrösten. Dann die Butter zugeben und leicht braun werden lassen. Die Rote Beete Würfel und die Gnocchi ebenfalls in die Pfanne geben und vorsichtig in der Walnussbutter schwenken. Mit Kräutern und ggf. etwas Parmesan bestreuen und servieren.
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